Wünsche, Träume, Leidenschaft
In meinem letzten Blog zum Thema „keine Zeit“ hatte ich die Formulierung“…wenn ein Traum groß genug ist…“ Und ich bekam daraufhin Anfragen mit dem Inhalt: „Woher weiß ich denn, ob das, was ich mir wünsche oder erträume, groß genug ist?“
Oder anders ausgedrückt – was unterscheidet einen Wunsch von einer Leidenschaft?
In meiner Ausbildung „Dipl. Ernährungscoach“ gibt es ja auch ein Modul, das sich mit dem Thema Abnehmen beschäftigt. Und unter anderem geht es dort auch darum, was unterscheidet eigentlich Hunger von Appetit? Eine der vielen Antworten – bei Hunger ist es dir ziemlich egal, was du isst, da geht’s nicht mehr um, schmeckt mir gut oder mag ich nicht.
Übertragen auf den Unterschied zwischen Wünschlein und echter Hingabe oder Leidenschaft an ein Projekt bedeutet dies – bei einem echten großen Lebenstraum lässt man sich nicht von jedem Windhauch umblasen, man beißt auch mal die Zähne zusammen, man steckt die Zurückweisungen weg und dass andere sich lustig machen. Man verlässt das traute Heim, denn „Adler fliegen selten gemeinsam mit Tauben“.
Und die Frage, die ich mir dann stellen muss ist – bin ich bereit, Entbehrungen auf mich zu nehmen, mal drei Jahre 60 Stunden zu arbeiten, keinen Urlaub zu machen, nicht recht und links zu schauen? Bin ich bereit für eine Ausbildung oder den professionellen Einstieg in einen neuen Beruf überflüssige Gegenstände am Flohmarkt zu verkaufen, auf mein Auto zu verzichten, einen Nebenjob anzunehmen? Bin ich bereit, dumme Bemerkungen meiner Umgebung und sehr oft auch der eigenen Familie und der „Freunde“ wegzustecken? Wenn ich eine Ausbildung mache, einen Zweitberuf ergreife, ein Projekt starte, den Job wechsle, ein Haus baue?
Ich habe vor einem Monat bei einem Vortrag im schönen Tirol meine Leidenschaft verpackt in eine Geschichte. Und viele haben mich danach gebeten, ob ich diese Geschichte nochmals erzählen könnte. Die Betty-Geschichte.
Betty ist heute 13 Jahre alt und eines meiner persönlichen Patenkinder im Rahmen meines Hilfsprojektes Harambee. Als ich Betty mit 5 Jahren in den Slums von Kilifi aufgelesen hatte, galt sie als unerziehbar. Selbst ihre Mutter kam mit ihr nicht klar (übrigens bis heute nicht). Betty liess sich nicht waschen, nicht anziehen, nicht die Haare frisieren. Ich habe selbst gesehen, wie Betty einem 10 Jahre älteren Burschen in die Hand gebissen hat, weil sie das haben wollte, was er hatte. Aber – ich hab auch das Blitzen in ihren Augen gesehen, den Lebenshunger, die Neugierde. Und hab meinen Lehrern in meiner Schule zugemutet, sich mit ihr zu beschäftigen. Intensiv. Ich kam immer gut mit ihr klar, sie hat mich vor Jahren adoptiert.
Und das Wunder geschah, Betty entwickelte sich schon in der Vorschule zur Klassenbesten. Dann kam ihre Mutter auf die Idee, weg zu ziehen, neuer Mann im Leben, Betty musste die Schule bei uns verlassen und kam in eine andere, die ich aber weiterhin bezahlt habe. Immer wenn ich in Kenia war, riss Betty aus, trampte zu mir, saß vor meiner Tür. Und Betty übersprang in Folge zwei Klassen, ist jetzt in der 6. Und weiterhin Klassenbeste. Betty will mal Astrophysik studieren und sagt Dinge wie: „Sie wollten mich zur Schulsprecherin machen, aber das hätte viel Zeit gekostet. Und am Ende der Schule fragt niemand, ob ich eine gute Schulsprecherin war, da zählen nur die Noten.“
Betty hat sich jetzt selbst in ein Internat angemeldet, weil sie zuhause dauernd auf die Geschwister aufpassen, Wasser holen, am Feld arbeiten muss.
Und es liegt an mir und meiner Leidenschaft für alles was ich tue, dafür zu sorgen, dass Betty später mal die Uni besuchen kann. Ob es Astrophysik werden wird, sei mal dahin gestellt, aber wenn ich nicht alles, was ich so tue, mit vollem Einsatz täte, dann könnte ich mir schlicht und einfach nicht leisten, Mädchen wie Betty ihren Lebenstraum zu erfüllen. Das treibt mich an, mein Bestes zu geben.
Kinder wie Betty gibt es viele, vergessene Seelen irgendwo. Marianne, mein kleiner Schatten und Teil meines Herzens, Sharon, mein Neuzugang, herumgestupst und als Dienstmädchen missbraucht, jetzt endlich kann sie lernen. Warum? Weil ich es ernst nehme das Thema Helfen. Weil es bei mir und meiner eigenen Leidenschaft beginnt.
Heute sind viele begeistert, „toll, was du da machst“. Als ich vor über 10 Jahren begonnen habe, mit einem Startkapital von gerade mal 1.000,- Euro, da war das nicht so eindeutig. Was musste ich mir da alles anhören. So ist es immer:
Zuerst lachen dich Menschen aus oder machen das, was du tust, schlecht, dann beneiden sie dich, schließlich bewundern sie dich und haben es ja immer schon gewusst.
Und wenn es der große Traum ist und eben nicht nur ein Wunsch, dann hält man das aus, schafft es und bewegt die Welt.
Und wenn es keine Betty und keine Marianne oder Sharon gibt? Die meisten haben Kinder und Enkelkinder. Was hinterlassen wir denen mal? Und ich rede nicht von Geld.
„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für die Welt.“ – Das ist Leidenschaft.