Die Signatur der Aloe vera

Aloe vera

Seit 15 Jahren begleitet mich jetzt schon eine Pflanze, die von Laien meistens als Kaktus bezeichnet wird. Sie lacht von Plakatwänden und aus Werbeanzeigen, von Saftflaschen und Babywindeln. Und ja, ich bin ein Fan, ein großer sogar. Und als Fan gerät man ja ganz oft geradezu ins Schwärmen. Kommt einfach so aus dem Bauch. Kann man auch nicht abstellen. Man kann das Gel trinken, mit den Blattrinden die Felder düngen, man kann damit Cremen erzeugen und sogar Wäsche waschen oder sich die Zähne putzen. Von den vielen wissenschaftlich belegten Heilwirkungen will ich hier gar nicht reden, weil ich das hier bei uns nicht darf (aus Kenia könnte ich Ihnen da Geschichten erzählen, unglaublich!). Und natürlich kommt dann recht schnell die Frage: „Gibt’s das denn überhaupt? Eine Pflanze, die so viel kann? Ist da nicht Misstrauen angebracht?“

Nun, bei vielen heimischen Pflanzen fragen wir uns das nicht. Nehmen wir eine weitere Lieblingspflanze von mir, die Brennnessel.

Hier finden wir es ganz normal, dass man daraus eine Suppe machen kann, die frischen Blätter als Spinatersatz verwendet, dass man einen guten Tee trinken kann, der entwässert, eine Tinktur, um den Körper mit Eisen zu versorgen, dass es Cremen gibt und Lotionen, und ja, Brennnesseljauche wird heute noch beim Biogärtnern verwendet. Und niemand wundert sich. Und jede Kräuterhexe könnte bestätigen, ja, stimmt alles und wirkt gut.

Und ja, es gibt ausreichend Literatur, aber ich möchte mich dieser „Königin der Heilpflanzen“ anders annähern, als dies die meisten tun. Keine simple Auflistung von Inhaltsstoffen. Kein Vokabelheft an Krankheiten.
Und eine Vorbemerkung ist auch notwendig, denn wir leben in Mitteleuropa mit manchmal seltsam anmutenden Gesetzen:

Aloe vera ist eine Heilpflanze, darüber gibt es gar keinen Zweifel, und wenn Sie Ihre Aloe im Blumentopf dazu verwenden,Verbrennungen zu behandeln, Wunden und Schrunden und unreine Haut, dann ist das natürlich kein Problem. Die meisten werden aber Informationen suchen, weil sie mit PRODUKTEN in Berührung gekommen sind oder sie verwenden, die aus Aloe gemacht sind, die Aloe enthalten. Und hier haben wir nun in einigen wenigen Ländern die Situation, dass wir über ein Produkt keine Heilaussagen machen dürfen. Und nein, es ist nicht die böse Pharmaindustrie, es sind Behörden, die glauben, man müsse erwachsene Menschen, die plötzlich Konsumenten heißen,  vor dem Leben schützen. Auch mit anderen Pflanzen hat man es immer wieder versucht, da klappt es nur nicht so gut, weil sie so sehr im Volksverständnis angekommen sind, dass wir uns unsere Kamille oder Ringelblume nicht einfach wegnehmen lassen. Aloe vera ist bei uns noch immer ein Exot, da gelingt Verunsicherung leichter.

Oft werde ich auch gefragt, ob es denn Beweise gibt für die Wirkung von Aloe vera. Ich sage dann immer, ja, 5000 Jahre Menschheitsgeschichte.

Es ist auch gar nicht unbedingt notwendig, sich mit Krankheiten zu beschäftigen und diese auswendig zu lernen. Es geht auch ganz anders. Wenn man die „Seele“ einer Pflanze verstanden hat, ihre Geschichte, das, was uns schon ihr Äußeres erzählt, dann kann man sich selbst erklären, warum sie so und nicht anders wirkt. Ich unterrichte auch Pflanzenkunde, habe selbst Homöopathie gelernt,  beschäftige mich mit Ganzheitlichkeit. Und nähere mich einer Pflanze anders an als über ihre Moleküle und Atome. Jeder Pflanze.

Zeig mir, wie du aussiehst und ich sage dir, wie du wirkst …
Ich nehme an, Sie haben alle schon einmal eine Aloe gesehen. Wenn Sie nicht das Glück hatten, ihr in freier Natur zu begegnen, dann sicher im Blumentopf. Und so wie viele von uns haben Sie sie am Anfang das eine oder andere Mal mit einer Agave verwechselt. Und in meiner zweiten Heimat Kenia passiert es mir sogar manchmal, dass ich von weitem eine ganz junge Sisalpflanze sehe und im ersten Augenblick an Aloe denke.

Allen gemeinsam sind die dominanten Blätter, die Ruhe ausstrahlen und Gelassenheit, alle stehen da in der prallen Sonne und wirken trotzdem nicht irgendwie vertrocknet.

Allerdings sehen sie in der freien Natur auch nicht so poliert aus wie unsere im Blumentopf, nicht dieses intensiv leuchtende Grün. Sie sind staubig, die Blätter oft ein wenig verbogen, ein bisschen wie eine Schlange, die sich ihren Weg sucht. Auf Plantagen ist es anders, da stehen sie in Reih und Glied, aufrecht und selbstbewusst.

Wenn wir uns Pflanzen nicht nur über ihre Inhaltsstoffe nähern, sondern sie in ihrer Gesamtheit verstehen wollen, brauchen wir einen anderen Zugang als den über Laboranalyse, Doppelblindstudien und Tierversuche. Gerade Pflanzenheilkunde, Vorläufer jeder heutigen Pharmaindustrie, war immer eine Erfahrensheilkunde, und um etwas zu erfahren, muss man beobachten. Das taten unsere Vorfahren, von der einfachen Hausfrau bis zum Wissenschaftler, der in frühen Zeiten immer auch Philosoph war. Und bei dieser Beobachtung kam man zu einer Erkenntnis, die bis heute in naturheilkundlichen Kreisen Gültigkeit hat und die auch als Signaturenlehre bezeichnet wird.

Stark vereinfacht ausgedrückt ist dies eine Lehre, bei der vom Äußeren, beispielsweise von Farbe oder Form auf das Innere, also auf Wesen und Wirkung geschlossen werden kann.

Diese Erkenntnismethode scheint auf den ersten Blick sehr simpel, und das muss sie auch sein, denn diesen Schlüssel zur Heilkunst haben von den Urzeitmenschen bis hin zu Bauerndoktoren der Neuzeit stets auch einfache Menschen gebraucht.

Signaturen sind einfach nur Zeichen der Natur, ähnlich den Tierfährten. Und wenn unsere Pflanzenforscher, angestellt bei diversen Pharmafirmen, heute in den Urwald reisen, um sich die Schürfrechte irgendwelcher Pflanzeninhaltsstoffe zu sichern, dann lassen sie sich diese Pflanzen auch von den Menschen zeigen, die dort leben und sie anwenden. Und sie nach ihrer äußeren Erscheinung entdeckt haben. Der Kreis schließt sich.

Wenn man also von äußerlichen Merkmalen auf die Heilwirkung schließen kann, dann wird bei der Brennnessel schnell klar, grüner geht nicht, mehr grüner Blattfarbstoff und damit auch Sauerstoffgeber geht nicht, sie brennt, wenn man sie anfasst, wird also wahrscheinlich eine gute Durchblutungswirkung haben, und wächst bevorzugt überall dort, wo irgendeine Mülldeponie ist, wo Metall verrottet, wo sie also auch viel Eisen aus dem Boden aufnehmen kann. Und wer Müllplätze überlebt, der muss auch was mit Reinigung zu tun haben.

Was genau sagt uns nun die Signatur der Aloe?
Greifen Sie doch mal solch ein Blatt an? Wie fühlt sich das an? Kühl und prall oder?

Hätten Sie gern eine Haut und ein Bindegewebe, die so angenehm straff sind wie dieses Blatt? Nun, dann haben Sie hier doch, ohne dass man weiter nachdenken muss, schon eine der Wirkungen der Aloe für die Haut – kühlend, straffend, die Feuchtigkeit bleibt dort, wo sie hingehört und wo sie leider mit zunehmendem Alter immer weniger wird – im Gewebe. Kein Wunder also, dass vor allem die Kosmetikindustrie Aloe vera als Basismittel entdeckt hat, viel früher als irgendwelche Heiler und Ärzte.

Und wie steht sie da? Aufrecht ja, aber auch irgendwie beweglich. Wenn wir uns die Blätter im Ansatz betrachten, dann sehen wir, sie wachsen in unermüdlichen Spiralen, immer im Kreis herum sozusagen. Man wird ganz schwindlig, wenn man da länger den Blick drauf hält. Standhaftigkeit, sich nicht vom Leben umwerfen lassen, selbst unter widrigen Umständen und dabei so beweglich, wie eine Pflanze es nur sein kann. Daraus könnten wir lernen, oder?

Schneiden wir nun eines der Blätter auf und schauen uns den Inhalt an, so fließt es uns förmlich entgegen, das Gel der Aloe. Schleimig, aber Fäden ziehend. Kein Wunder also, dass es unseren inneren Häuten, den Schleimhäuten gut tut. Wir bestehen innen drin fast nur aus Schleimhaut, alle Organe sind damit ausgekleidet, unser Darm, unser Magen, unsere Blase, um nur einige zu nennen. Die Blutgefäße innen, und natürlich auch das, was wir schon sehen, unseren Mund und Rachen und die Nase. Sind Sie schon mal längere Zeit im Flugzeug gesessen? Dort ist es extrem trocken. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich hab da immer das ganz starke Bedürfnis, „Nase zu bohren“, um die trockenen Krusten weg zu bekommen.

Es geht uns nicht gut, wenn irgendetwas in unserem Körper trocken gelegt wird.

Aus der Medizin wissen wir, dass viele Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen mit einem Austrocknen der Schleimhäute einhergehen. In unserem Körper, in unseren Zellen läuft alles in einem wässrigen Milieu ab, alle chemischen Reaktionen lieben Feucht-Biotope, sonst verlangsamen sich alle Prozesse.

– Eine gestörte Schleimhaut im Magen führt zu Gastritis und bietet den Nährboden für Bakterien, die in Folge ein Magengeschwür auslösen können.

– Eine gestörte Schleimhaut im Darm und wir können Nährstoffe nicht mehr gut aufnehmen, sie werden nicht durchgelassen, wir verhungern vor vollen Tellern und essen immer mehr.

– Eine gestörte Schleimhaut im Bereich der Blase und auch hier kommt es ständig zu Infektionen.

Bei der Aloe haben wir es also mit einer Pflanze zu tun, die uns überall, innen wie außen, maximal mit Feuchtigkeit versorgt. Das erklärt schon viele Wirkungen.

Wissenschaftler haben außerdem entdeckt, dass es im Körper für Aloe vera keine Schranken gibt, keine Grenzen wie für sonst fast alles außer Wasser. Aloe darf immer passieren, so als wüsste unser Körper, dass ihm das, was da kommt, nur guttun kann. Ich sage gern, Aloe vera spricht eine Sprache, die unsere Zellen verstehen.

Wir haben also ein Pflanze vor uns, die maximale Sonnenenergie speichert und gleichzeitig auch maximale Feuchtigkeit. Feuer und Wasser, die alten Elemente, aus denen angeblich alles geschaffen wurde.