Endlich abnehmen
Ich bin eine Frau und über 60. Und ich bin zu fett. Nicht ein wenig, sondern sehr. Seit ich vor 12 Jahren meine Schilddrüse entfernen ließ und die Diagnose Hashimoto erhielt, ging mein Gewicht kontinuierlich nach oben. Nein, falsch, eigentlich ging es bereits in den ersten 5 Jahren nach oben und zwar um ganze 28 Kilo. Und danach habe ich resigniert.
Was nicht heißen soll, dass ich nicht immer wieder Diäten gemacht hätte. Kurzfristige von wenigen Tagen (Clean 9), Heilfasten, Intervallfasten, auch mal 4 Wochen wenig Kohlenhydrate, aber ich habe dabei ganz gravierende Fehler gemacht, weil ich immer die Ausrede für mich hatte – ohne Schilddrüse und in meinem Alter, muss ich ja nicht mehr schlank sein. 4 bis 5 Kilo weniger wären schön.
Nun ist „wären schön“ für kein Ziel ausreichend, da muss schon mehr Biss dahinter sein. Und man muss es ehrlich sagen, ich hab einfach zu klein gedacht. Was sind nach 28 Kilo Gewichtszunahme 5 Kilo weniger? Nichts. Ich war danach noch immer fett und eine Woche nachdem ich wieder normal gegessen hab, hatte ich dank meiner geliebten Schilddrüse wieder das Gewicht von vorher. Wobei ich vor ein paar Jahren zumindest ständig 4 Kilo weg hatte, immerhin. Und so zogen die Jahre ins Land.
Seit unserer neuen Lebenssituation mit Peter im Rollstuhl haben wir uns außerdem immer wieder belohnt mit Essen und einem guten Wein. Wenn wir schon nicht mehr spontan irgendwo hin gehen können, keine Spaziergänge im Regen, keine Reisen, dann wenigstens schön essen. Mein Mann kocht außerdem hervorragend und er kann eines absolut nicht ertragen. Wenn ich jammere, dass ich hungrig bin.
Was auch kontraproduktiv war – ich habe mein Fett nicht so grauslich wabbelnd, nie gehabt, sondern recht fest, viele Muskeln aus vielen Jahren Sport, gut verteilt. Warum das eigentlich hinderlich ist? Niemand würde, wenn er mich sieht, vermuten, was ich so mit mir herum schleppe. Und ich selbst konnte bei einem Blick in den Spiegel immer noch sagen – sooo schlimm ist es nicht. Wo soll ich denn bitte 24 Kilo abnehmen?
Ende September 2018 aber war es soweit. Ich hatte nicht nur ausreichend Motivation, sondern mir war klar, diesmal denke ich groß. Ich habe 24 Kilo mehr als zu der Zeit vor 17 Jahren, als mein Mann mich kennen gelernt hat. 24 Kilo mehr als ich immer hatte. Vor, zwischen und nach den Kindern, 24 Kilo mehr als vor meiner Schilddrüsenoperation und den Wechseljahren. Und genau diese 24 Kilo nehme ich ab. Nicht als Crash-Diät sondern in 2 Jahren. Und ich fange sofort an.
Kaum war dieser Entschluss gefasst, sah ich übrigens sehr genau, wo überall Fett saß, wo die 24 Kilo versteckt waren. Von den Füßen über Knie, unter der Brust, wo der BH so unglaublich unbequem sitzt, wenn man übergewichtig ist, Hängebacken, Doppelkinn, Oberarme. Und plötzlich dachte ich mir – schön, es ist wirklich genug da, dass ich so viel abnehmen kann, ohne dass es hängt und furchtbar aussieht.
Wenn man große Ziele hat braucht es große Motivation. Echte.
Nun ist es nicht so, dass ich nicht wie alle Frauen auch an einer Stoffwechselkrankheit leide. Soll heißen, ich kleide mich gern schön, kaufe gern Fetzen ein. Nur – das war nie Motivation, denn ich habe einige sehr gute Quellen für Übergrößen, wo ich mich seit Jahren eindecke. und ich denke, ich bin meistens besser angezogen als viele in Größe 38.
Außerdem lebe ich oft genug in Kenia, dort ist Übergewicht kein Thema. Dicke Frauen sind geachtete Frauen, Mobbing wegen Figur ist unbekannt. Und auch in Österreich gehe ich davon aus, dass mir Menschen ins Gesicht schauen und meinen Charakter schätzen.
Aber nach dem besagten September gab es plötzlich viel Motivation aus ganz unterschiedlichen Bereichen
Natürlich Gesundheit. Mit 60 hat man nicht mehr so viel Zeit, sich darum zu kümmern und eigentlich war ich immer eher für Vorbeugung. Plötzlich merkte ich, dass mir immer mehr Gelenke wehtaten. Nicht nur bei Bewegung, sondern auch bei längeren Autofahrten. Ständig plagte ich mich mit Entzündungen, meine Migräne aus meiner Jugend flackerte wieder auf, mein Darm spielte verrückt. Einer von uns beiden im Rollstuhl sollte eigentlich genügen. Auch wenn man sich noch so viel einredet, nein, es ist nicht schön, wenn man bei einem kaputten Lift kaum noch zu Fuß in den zweiten Stock kommt, ohne oben ein Sauerstoffzelt zu brauchen.
Eines meiner Schlüsselerlebnisse war im Vorjahr die Reise zu den Berggorillas in Uganda. So lange ersehnt als Lebenstraum, geplant, nicht billig. Und dann scheitere ich beim aufstieg nicht nur an der Hitze und der Luftfeuchtigkeit, nicht nur, weil ich den schlimmsten Migräneanfall hatte, den man sich vorstellen kann, sondern – ungeschminkte Wahrheit – weil ich da ein Gewicht auf 1.800m schleppen musste, das man einfach nicht tragen sollte. Ja, ich habe sie gesehen. Aber ich konnte es nicht genießen, weil mein Körper streikte bis hin zum Erbrechen, völlige Erschöpfung.
Im September in Kenia besuchte ich einen unserer Väter, dem wir einen Mikrokredit für ein Feld zur Verfügung gestellt hatten. Er wollte mir unbedingt zeigen, was er dort alles angebaut hatte. So nah wie möglich wurde ich mit Auto gebracht, dann begann der Fußmarsch. 30 Grad, 70% Luftfeuchtigkeit, Hügel hinauf, Hügel hinab. Irgendwann musste ich aufgeben. Und ich vergesse bis heute nicht die Enttäuschung im Gesicht unseres Farmers.
Wenn Peter, mein Mann, jemals wieder auf die Füße kommen und den Rollstuhl hinter sich lassen will, dann muss er abnehmen. Viel, mehr als ich. Nicht einfach ohne die Mikrobewegungen, die wir doch täglich unbemerkt so machen. Allein würde er es nicht schaffen. Einer frisst Schokolade und Kuchen und der andere schaut zu? Nein. Wir sind die letzten zwei Jahre einen nicht leichten Weg gemeinsam gegangen, dann gehen wir den jetzt auch zusammen.
Und schließlich eine Motivation, die wohl nur Tierliebhaber verstehen werden – mein Pferd Lola. Ich liebe diese Stute so sehr, und ich möchte ihr schlicht und einfach mein Gewicht nicht zumuten. Ja, ich weiß es, Freiberger sind dafür gezüchtet, Kanonenkugeln über die Schweizer Berge zu tragen. Ja, sie kann mich tragen. Nur, warum soll sie? Warum mute ich einem Lebewesen, das ich liebe, so etwas zu? Ich möchte mich auch in 10 Jahren noch an ihr erfreuen, möchte, dass sie gesunde Gelenke hat, dass sie nicht leidet, wenn wir ausreiten.
Zwei Motive Liebe also und zwei Motive Egoismus, keine schlechte Mischung.
Ja, und jetzt, wo ich das schreibe, hab ich Halbzeit. 12 Kilo sind weg.
Aber – das ist nicht alles. Ich hab diesmal nicht einfach 12 Kilo abgenommen. Ich habe vorn eine Zahl auf der Waage, die ich seit 10 Jahren nicht mehr hatte. Da Bewegung heute täglich auf dem Stundenplan steht, bin ich fitter, keuche nicht, renne in den zweiten Stock, sitze besser am Pferd, schlafe besser, mein Knie tut nicht mehr weh und mein Darm verhält sich ruhig. Keine Migräneattacken, kein Sodbrennen. Und ja – gerade probiert, die zweite kleinere Jeansgröße geht zu und ich kann schon gut drin atmen.
12 Kilo, ich hab mal so einen Karton mit 12 Liter Milch durch die Wohnung geschleppt. In der Werbung für solch einen Soda-Sprudler wird so getan, als wäre das Tragen von 6 Litern Mineralwasser die größte Herausforderung. Und dann schleppen wir das freiwillig 24/7 mit uns herum?
Also – es geht weiter. Ab heute die nächsten 12 Kilo, mein Ziel wäre, bis Ende des Jahres. Also 2019;-)) Und dann hätte ich das Gewicht, mit dem ich vor 17 Jahren meinen Mann kennen gelernt habe.
Und dann – ich schwöre, sehen mich diese verdammten Berggorillas wieder!