Fitness als Seelsorge
Ich möchte diesen Blog-Beitrag mal einem lieben Freund Jens widmen, den ich bisher nur aus der Ferne beobachtet habe bei seinem Treiben und immer gedacht habe, liebenswerter Freak. (Er wird mir das jetzt verzeihen, denn ich leiste hiermit Abbitte). Warum meine Meinung? Für meinen Geschmack der letzten Jahre war er einfach zu sportlich. Klingt komisch? Nun, ich bin nicht so für die Helden der Muckis, drehe mich nochmals gern um, wenn solche Typen beim ersten Dämmerlicht und strömendem Regen die Laufschuhe anziehen, und hole mir lieber einen Kaffee und ein gutes Buch, wenn da wieder gepostet wird, dass man auch in einem schicken Hotel zuerst mal den Fitnessraum suchen würde.
Dabei hab ich früher viel Bewegung gemacht. Aber eben Bewegung, für mich war das nie Sport. Laufen – ja, weil mir sonst die Straßenbahn davon fährt. Aber einfach so? Schwimmen – ja, weil es im Wasser einfach nett ist und man im Sommer nicht schwitzt. Ich bin mein halbes Leben geritten, extrem anstrengend, aber das hab ich für die Seele gemacht, nicht für körperliche Ertüchtigung. Es ging mir darum, mit meinem Pferd zusammen zu sein, nicht um Fitness.
Und was hat sich jetzt geändert?
Ich hab es ja schon beschrieben, dass mein Leben derzeit eine Achterbahn ist. Meinem Mann und damit auch mir hat man vor drei Wochen die Diagnose Querschnitt und Rollstuhl vor die Füße geworfen, schau, wie du damit klar kommst.
Zuerst war mal die totale innere Starre da, aber dann, schon nach wenigen Tagen die Erkenntnis, jammern hilft jetzt wenig. Mein Mann wird auf der neurologischen Station des Krankenhauses und später in einem Reha-Zentrum wohl sehr viel körperliche Ertüchtigung bekommen. Und ich? Es werden viele Situationen kommen, wo ich nicht nur mentale Stärke benötige, sondern das, was mir bisher nicht so wichtig war – körperliche Kraft aus der Mitte, rückenschonende Bewegungsabläufe und genau das – Muckis.
Und vor die Frage gestellt – Psychotherapie oder Personaltrainerin hab ich letzte gewählt. Die beste Entscheidung, die ich nur treffen konnte.
Jetzt trainiere ich 4mal die Woche jeweils eine Stunde mit Jana. Und Jana lässt nicht die kleinste Mogelei durchgehen, ist dabei immer gut gelaunt und passt die Übungen meiner mentalen Fitness an. Neben der simplen Tatsache, dass tatsächlich meine körperliche Kraft zurück kommt, waren diese Stunden die ersten seit der Diagnose und der simplen Angst um das Leben meines Mannes, in denen ich mal abschalten konnte, abschalten musste, denn wenn man sich auf so einen Mini-Muskel irgendwo unterhalb des BH-Randes konzentrieren muss, 15mal, schöööön langsam, dann kann man nicht grübeln. Man hat also zum Preis von einer Personaltrainerin im Grunde auch ein wenig psychologische Begleitung zusätzlich gekauft.
Und anders als beim allein vor sich hin üben genieße ich hier vor allem eines – ich muss nicht denken. Jana sagt, welches Gerät, welches Gewicht, wie ich meine Hände halten soll und ob ich den Hintern zu weit vor schiebe oder nicht. Und das ist so wohltuend derzeit. Und ich entwickele echten Ehrgeiz. Schon die Frage „schaffen wir noch dreimal?“ verlangt nur eine Antwort, selbstverständlich schaffen wir das.
Und daher Jens, ist mir heute etwas passiert. Ich bin aufgewacht und dachte, schade, heute kein Training, erst morgen wieder. Wenn mir das jemand vor vier Wochen gesagt hätte….