Gegen den Strom
Ich gebe zu, manchmal ärgere ich mich. Wünsche mir eine Entschuldigung oder zumindest, dass die Menschen, von denen die Rede ist, soviel Mumm besitzen, vor zu treten und zu sagen – „Tut mir leid, ich hab mich geirrt. Ich wusste es nicht besser“. Aber noch während ich dieses Gefühl spüre, kommt auch ein anderes hoch. Stolz nämlich und das Wissen, dass dieses ständige gegen den Strom schwimmen, Vorreiter zu sein, mich auch stark gemacht hat. Und kritischer. Und ich spreche hier von den Ernährungswissenschaftlern aller Richtungen, die ja gerade einen Feldzug gestartet haben gegen alles, was nicht „studierter“ Ernährungsfachmann/frau ist. Wie können diese nicht Studierten es nur alle wagen, ausschließlich mit gesundem Menschenverstand beraten zu wollen.
Ich bin jetzt 60 Jahre alt und seit 42 Jahren beschäftige ich mich mit Gesundheit, auch mit Ernährung. War mein Spezialthema schon an der Uni im Medizinstudium. Und im Laufe dieser Zeit hab ich mich – manchmal wie ein einsamer Prediger in der Wüste, laut gegen Mythen gestellt, die mir schon von besagtem Hausverstand her irrwitzig erschienen
- dass Eier den Cholesterinspiegel erhöhen würden
- dass Kaffee dem Körper Wasser entzieht würde
- dass der Darm einfach nur Darm sei und probiotische Bakterien Unfug
- dass man 5, besser noch 7 Mahlzeiten am Tag essen solle, um gesund zu bleiben und abzunehmen
- dass Milch ein wertvolles Getränk sei und ohne käme es zu einem Kalziummangel
- dass fettarm schlank machen würde und Fett auf jeden Fall böse sei
- dass man mehr trinken solle als man Durst habe
Und so könnte ich die Liste noch lange fortsetzen.
Stattdessen „weiß“ man heute – alles Quatsch. Wobei – wer ist „man“? Normale Menschen haben das schon immer vermutet, oder? Und nach und nach wird das jetzt alles revidiert, so still von hinten herum. Und diejenigen, die uns das alles gepredigt haben, die tun jetzt so, als sei das ja immer schon vollkommen klar gewesen. Keine Entschuldigung bei Millionen geknechteter Patienten und Kunden, stattdessen weiterhin diese unerträgliche Hochnäsigkeit – wir wissen, was gut ist.
Plötzlich bekommt der Darm den Stellenwert, der ihm gebührt, probiotische Bakterien werden von Ärzten auch dann verschrieben, wenn man nicht gerade Antibiotika geschluckt hat, Milch wurde gerade in Kanada aus der Ernährungspyramide entfernt, Eier gelten als das, was sie immer schon waren, als vollwertigstes Nahrungsmittel, das die Natur hervorgebracht hat, Kaffe gilt sogar plötzlich bei 2-3 Tasse täglich als gesund, Nierenfachärzte ziehen die Notbremse und apellieren, bitte nicht zu viel trinken und – Tataa – Intervallfasten, schon immer etwas, was ich gern gemacht hab – ist das Gebot der Stunde. Auf keinen Fall aber die 5 Mahlzeiten am Tag.
Im Zuge des Intervallfastens wackelt jetzt übrigens noch ein weiterer Unfug der Experten, dass es nämlich so was wie Detox, Körperreinigung, „Schlacken“ gar nicht geben würde. Doch, nur woanders, als man bisher gesucht hat. IN der Zelle nämlich kurbelt nichts Essen einen Mechanismus an, den man Autophagie nennt. Dabei wird endlich mal der ganze Müll verbrannt und als Energie genutzt. Und – verlängert nachweislich wohl das Leben und beugt zahlreichen Alterserkrankungen vor. In allen Religionen dieser Erde immer schon ein Thema, nur unsere Wissenschaftler haben halt etwas länger gebraucht.
Und jetzt warte ich noch auf die Beseitigung des letzten Mythos, Fluoride in der Zahnpasta würden Karies vorbeugen. Ich hoffe, ich erlebe es noch, benutze inzwischen weiter wie schon seit über 30 Jahren Zahnpasta ohne diesen Müll und denke mir – gegen den Strom schwimmen hat was.