Gestresste Kinder
Stress kann schon sehr früh im Kindesalter anfangen. Während die Kleinsten ihre Welt entdecken, steckt das Familienleben voller Hektik. Dabei wäre auch für Eltern das wichtig, was Großteltern oftmals sehr viel einfacher fällt: Zu entschleunigen, sich zurück zu nehmen und die Zeit mit den Kindern einfach zu genießen.
Denn letztlich geht es nicht darum den Alltag des Kindes mit so vielen Aktivitäten wie nur möglich zu füllen. Denn der Stress des Multitaskings holt unsere Kinder ohnehin früher oder später ein. Als Oma fällt mir das natürlich deutlich einfacher, denn ich kann mir diese Zeit nehmen. Aber vielleicht finden Sie ja auch in meinem Zugang neue Motivation die Zeit mit ihrem Kind zu verlangsamen.
Meine 4jährige Enkelin möchte nochmal Rolltreppe fahren. Sie traut sich das noch nicht allzu lange. Zuerst musste man dicht hinter ihr stehen, und festhalten musste sie sich, anfangs sogar mit beiden Händen. Noch vor ungefähr 30 Minuten konnte man die große Anspannung knapp vor dem Ausstieg spüren. Inzwischen meistert sie alles sehr souverän und will das Erlernte natürlich voll auskosten. Ich muss auch gar nicht mehr mitfahren. Sie springt auf die Rolltreppe, die hinunter führt, ein verschmitztes Lächeln im Gesicht, und unten angekommen, nimmt sie die, die wieder hinauf fährt. Und oben spürt man den Triumpf in ihrer ganzen Körpersprache.
Und ich denke mir wieder einmal, wäre ich ihre Mutter – also nicht nur in Person meiner Tochter, sondern jede Mutter, mich vor 30 Jahren eingeschlossen – würde ich jetzt mit den Gedanken den Abend planen. Waschmaschine ausräumen, Abendessen vorbereiten. Irgendwann – und das wäre wahrscheinlich schon nach 10 Minuten passiert nicht erst nach einer halben Stunde – hätte ich dann wohl den Vorschlag gemacht: „Lass uns doch mal ein Stück weiter gehen. Hättest du nicht Lust, jetzt mal was anderes zu machen?“
Aber ich bin die Oma. Ich habe Zeit, denn ich halte mir die Stunden, die ich meine Enkel habe, frei. Es ist mir egal, ob der Geschirrspüler ausgeräumt werden muss oder nicht, und ich schalte mein Handy aus, will nicht gestört werden. Qualitätszeit. Natürlich kann ich mir das auch erlauben, denn ich HABE diese Zeit. Ich beneide Mütter keineswegs und bewundere, was sie leisten. Ich war auch mal eine von ihnen.
Ähnliche Szenen am Spielplatz, den ich immer ganz entspannt betrete und sofort laut und deutlich alle wissen lasse, dass ich die Oma bin. Daher wohl auch die spezielle Oma-Sprache. Man sagt nicht: „Komm mal zu mir“, sondern „komm mal zur Oma“. Zur Oma. Haben alle Mütter es gehört? Hier kommt keine Erziehungskonkurrenz, nur eine ältere Dame, die nicht erziehen will und muss und nicht die neuesten Strömungen diskutiert, ob frühkindliche Krabbelgruppen oder Sprachförderung – das alles ist einer Oma meistens völlig egal. Wir wollen unsere Enkelkinder genießen, Punkt.
Auf besagten Spielplätzen also oft das gleiche Bild, das man irgendwie so zusammenfassen könnte: Das Kind sollte bitte schneller spielen, nicht so oft immer das gleiche machen und eigentlich hat man es eilig.
Nur, wenn ich, sagen wir, eine Stunde mit meiner Enkelin bei der Sandkiste verbringe, ist es mir doch vollkommen egal, wenn sie drei Steine von einem Behälter in einen anderen und wieder zurück schaufelt. Das kann sie von mir aus die ganze Stunde tun, wenn es sie freut. Wir haben doch Zeit. Warum sollte ich sie nach 10 Minuten fragen, ob sie nicht lieber was anderes spielen wolle? Sie wird es mir schon sagen, wenn ihr langweilig ist.
Dieses ständige Antreiben stresst beide Seiten, immer schneller, immer schneller. Gut möglich, dass man dann plötzlich aus dem Karussell des Lebens hinaus fliegt.
Eine Galapagosschildkröte ist nun mal keine Fruchtfliege.
Diese Problematik wird übrigens in der Ausbildung Bachblüten und vor allem im Kindergesundheitstrainer ausführlich besprochen.