Lärmen tun immer nur die anderen
Lärm macht krank! Darüber brauchen wir nicht mehr diskutieren. Und nein, ich meine nicht die malträtierten Trommelfelle unserer Kids, wenn sie sich Tag und Nacht via Kopfhörer Musik in der Lautstärke eines Presslufthammers reinziehen. Es muss nämlich nicht über die Ohren kommen, Schallwellen treffen unseren Körper überall. Lärm schädigt unser Immunsystem, man wird schneller krank. Er macht aggressiv, man kann sich nicht mehr konzentrieren, habt Schlafstörungen und Verdauungs-probleme. Und natürlich sind wir schnell mit Vorwürfen und Protesten bei der Hand, wenn es sich um Fluglärm handelt oder den lauten Nachbarn. Aber – wie immer – es beginnt bei uns.
Ich komme gerade nach drei Monaten Kenia wieder zurück ins eigentlich unglaublich leise Österreich, und in diesen drei Monaten hab ich wirklich mitbekommen, was Lärm so sein kann und wie er wirkt. Meine regelmäßigen Facebookleser haben das ja verfolgen können, es ging um eine Sekte, die Tag und Nacht gelärmt hat, wo nach einer Stunde vor den Lautsprechern die ersten erbrechen mussten, erklärt wurde ihnen dazu, wunderbar, das Böse verlässt deinen Körper. Und noch 100 Meter weiter in meiner Wohnung waren die Schallwellen so stark, dass ich ebenfalls nach rund einer Stunde nur noch krank auf meinem Bett gelegen bin. Und ja, dagegen bin ich vorgegangen, inzwischen auch gerichtlich, was in einem afrikanischen Land noch mühsamer ist als bei uns, aber – ich werde das gewinnen.
Auch der Alltagslärm ist natürlich gewaltig, aber ist er wirklich so viel schlimmer als bei uns? Oder ist er nur einfach anders und triff tuns daher mehr? Ein Muezzin um 5 Uhr früh ist nicht so prickelnd, aber Kirchenglocken jede volle Stunde, das nervt auch. Bei uns wird nicht südländisch gehupt, aber eine einfahrende U-Bahngarnitur ist für mich persönlich ebenfalls schwer zu ertragen.
Wir haben nicht so viele Motorräder, Tuktuks (das sind die dreirädrigen Gefährte, die unglaublich viel Lärm machen), nicht überall laute Musik, schon gar nicht morgens um sechs. Aber ehrlich, an heißen Sommerabenden könnte ich meine bis Mitternacht auf dem Balkon sitzenden Nachbarn auch verfluchen, die einfach nicht und nicht ins Bett wollen und ihren ganzen letzten Urlaub und alle Fernsehprogramme durch diskutieren. Und Gott sei Dank lebe ich nicht in einer Gegend mit lauter Gastgärten. Auch die Müllabfuhr morgens um 6 hebt mich aus dem Schlaf, und einer meiner Nachbarn hat ein Klavier spielendes Kind, mäßig begabt. Außerdem kommt es mir so vor, als würden alle Heimwerker am liebsten abends oder am Sonntag zum Bohren und Hämmern anfangen
Lärm beginnt also eben nicht bei Kirche, Flugzeug und Institutionen, Lärm beginnt bei jedem einzelnen von uns. Und ich habe beschlossen, wenn das nächste Mal jemand neben mir in der Straßenbahn laut in sein Handy brüllt, dann kaufe ich mir so eine Pfeife wie auf einem Kindergeburtstag, die sich beim Hineinblasen noch dazu aufrollt. Warum? Weil vielen der eigene erzeugte Lärm einfach nicht mehr auffällt.
Was ich mir stattdessen aber mehr wünschen würde – Gespräche. Echte, nicht über Soziale Netzwerke. Nur Facebook nennt es „persönliche“ Nachricht, aber wenn es wirklich was mit echtem Inhalt ist an einen Freund, dann gibt es wohl kaum etwas Unpersönlicheres und Respektloseres. Lasst uns also wieder mehr miteinander reden.
Und weil das so ist, gibts ab sofort auch wieder meine Sprechstunde. In echt, nicht nur virtuell.