Löwenzahn
Jetzt sieht man sie wieder überall. Als große gelbe Augen in der grünen Wiese oder als fliegende Schirmchen. Kinder und Tiere haben sie gern (im Fall der Tiere zum Fressen gern, sie heißt nicht umsonst Kuhblume, und meine Stute meint auch, sie schmeckt hervorragend), Gärtner nennen sie Unkraut – ich meine unseren Löwenzahn, taraxacum, englisch dandalion.
Über die Hintergründe zum Namen Löwenzahn gibt es viele Spekulationen und Geschichten, so auch diese aus Afrika. Ein Löwe musste genau vor einer Pusteblume kräftig niesen, mit offenem Mund. Ein kurzsichtiger vorbei kommender Affe meinte, der König der Tiere habe seine Zähne verloren, die in alle Himmelsrichtungen davon flogen.
Und wer hat als Kind nicht mit Pusteblumen gespielt. Gern aber auch Kränze aus den gelben Blüten geflochten oder die Milch aus den hohlen Stängeln gequetscht. Die übrigens hervorragend kleben, bevorzugt bei den mitspielenden Kindern am Rücken oder im Gesicht.
Auch so ein Kuriosum – aus den Wurzeln kann man Gummi erzeugen, wird heute wieder erforscht, um einen Rohstoff zu nutzen, der überall billig zu bekommen ist. Im Zweiten Weltkrieg hatten wir das schon einmal. Kann man auch einfach mal zuhause versuchen (man braucht allerdings Geduld). Wurzeln klein schneiden und in den Mixer, etwas mit Wasser mischen, absieben, die festen Bestandteile mit 1/3 Obstessig mischen und warten. Nach einer Weile schwimmen die ersten Gummistückchen oben.
In der Naturheilkunde ist Löwenzahn ein Lebermittel und hilft überall da, wo man etwas aus dem Körper ausleiten will. Detox also. Auch bei Gelenksproblemen geht es um Ausleitung, daher wird Löwenzahn auch als ideales Rheumamittel gehandelt.
Ich möchte aber – als Fan der TCM, der Traditionellen Chinesischen Medizin – eher über die Energie des Löwenzahns sprechen. Sie ist nämlich in der TCM dem Element Holz, dem Organsystem Leber zugeordnet, beides hat praktischerweise im Frühling Hochsaison. Und die Leber ist hier nicht nur ein Organ. Die Leber verwaltet unsere Lebensenergie Qi, sie sorgt für Ausgleich, Gleichgewicht, in der deutschen Medizin würde man sagen Homöostase. Deshalb findet man Löwenzahn auch in Unmengen genau dort, wo dieses Gleichgewicht gestört ist. Ausgelaugte Böden, Überdüngung. Dann nimmt Löwenzahn allen anderen Pflanzen den Platz weg.
Beim Menschen kennen wir dieses Ungleichgewicht der Lebensenergie auch. Lebertypen sind spontan, zappelig, forsch. Sie wollen immer mehr, als vielleicht gerade möglich ist, gehen oft an ihre Grenzen und darüber hinaus und sind dadurch die idealen Burnout-Kandidaten. Und nehmen ihren Mitmenschen auch oft die Luft zum Atmen.
Für diejenigen, die sich angesprochen fühlen und mit Tee nicht so viel am Hut haben – Löwenzahnwein schmeckt gut und hielt sogar Einzug in die Weltliteratur (Ray Bradbury, Dandalion Wine).