Und welche Vorurteile pflegen Sie so?

Nach 40 Jahren Selbständigkeit wird man mit so manchem Vorurteil konfrontiert. Anfangs versucht man dann noch, zu missionieren, zu erklären, zu diskutieren. Man nimmt einen Satz, den eine Kundin oder oft genug noch nicht mal Kundin gesagt hat, abends mit ins Bett. Was hätte man antworten können? Man ist doch überzeugt davon, das genau Richtige zu tun, warum also so viel Gegenwind?

Wenn man länger dabei ist, bekommt man noch immer solche Vorurteile zu spüren, aber sie werden seltener. Und man diskutiert nicht mehr, zumindest nicht immer. Meistens ist dies ohnehin vergebene Liebesmüh, denn nichts geben Menschen so ungern auf, wie das, in das sie sich verrannt haben. Manchmal ist aber auch gerade das Nicht-Diskutieren das Rezept zum Erfolg.

Neulich am Telefon: “Ich hab Ihre Schule und die…XY in der näheren Auswahl. Überzeugen Sie mich, warum sollte ich Sie wählen?” Schlau gefragt eigentlich, frisch von irgendeinem Managertraining. Aber ich hab keine Lust zu überzeugen. Und das hab ich auch gesagt. “Nein, mache ich nicht. Wenn Sie sich auf meiner Homepage umgesehen  und wirklich, wie Sie sagen, alles aufmerksam gelesen haben und dann noch Argumente von mir brauchen, dann bin ich vielleicht einfach nicht die richtige Schule.” – Stille. “Das überzeugt mich, wie kann ich mich anmelden?”

Manchmal sind es auch Kursabsolventen, die mich entrüstet anmailen – “Ich hätte nie gedacht, dass Sie Sowas machen.” – “Was – Sowas?” – Strukturvertrieb. Wieder jemand, der den Vertriebsweg Direktvertrieb gleichsetzt mit was Illegalem, Furchtbaren. Tipps für einen guten Kinderarzt oder wo man ätherische Öle kaufen kann, Buchtipps und Tee-Rezepte werden gern genommen, aber wenn ich in meinen eigenen Filmen eine bestimmte Art des Fastens, eben eine mit Produkten, empfehle – wie kann man nur?

Das ist erstens heuchlerisch, zweitens aber auch vollkommen kontraproduktiv, wenn ich daran denke, mich mal irgendwann mit einem Beruf selbständig zu machen. Laut Spiegelgesetz bekomme ich ja genau die Kunden, die sich so verhalten, wie ich selbst. Da gründet man vielleicht eine Kindergruppe oder einen Ernährungsworkshop und erntet dann vielleicht auch – wie kann man nur, braucht doch niemand, ist das überhaupt legal?

Wenn man selbst gegen Werbung war bisher – Hilfe, nur nicht meine Adresse hergeben, es könnte mir jemand ein Angebot machen – wie genau will man später zu Kunden kommen? Nur Mundpropaganda? Viel Spaß. Sobald ich eine Firma habe, und sei sie auch noch so klein, bin ich nicht mehr privat, ich stehe unter Beobachtung. Und wie in der Erziehung gilt auch hier – was nutzt sie, Kinder machen uns doch alles nach. Wie ich mich also anderen Unternehmern gegenüber verhalte, wie ich über Werbung und Geld verdienen denke, genau das bekomme ich dann auch zurück.

Oder flapsig ausgedrückt – wenn ich mit meiner Werbung am Auto spazieren fahre, sollte ich mich an die Verkehrsegeln halten.

Und im übrigen – 100% Zustimmung gibts nicht. Auch als ich mein Hilfsprojekt vor 11 Jahren gegründet habe, konnte ich mir einiges anhören – heute haben es immer schon alle gewusst, dass es toll ist.

Daher, überprüft mal die eigene Einstellung zu all dem, was vielleicht später in der Selbständigkeit euer Überleben ausmachen wird. Und hört mal nicht auf all die Einflüsterer in eurer Umgebung. Hier gilt die Regel des guten alten Overheadprojektors: Wenn ich eine Folie auflege, bekomme ich ein klares Bild. Lege ich mehrere übereinander, sehe ich nichts mehr.